Westfalenstraße
Benennungsdatum
Frühere Bezeichnungen: a) „Fuhrweg von Iserlohn nach Westig“, b) „Aktienstraße“ oder „Iserlohn-Deilinghofer-Actienstraße“, c) „Iserlohn-Wimberner Chaussee“ (1887) und d) „Iserlohn-Deilinghofer Straße“ (vor 1930) Heutiger Name seit 20.10.1930 (I c)
Lage
Straße in der Verlängerung der Friedrichstraße ab Parkstraße nach Osten zur Stadtgrenze von Hemer // Straße in der Karte anzeigen
Erläuterung

Die Benennung erfolgte vermutlich wegen ihres Charakters als Hauptstraße nach Arnsberg, dem Verwaltungssitz des „Herzogtums Westfalen“, das vom 12. bis 18. Jh. zum Machtbereich der Erzbischöfe von Köln gehörte.
Als Verlängerung des ehemaligen „Wermingser Weges“ (heute Friedrichstraße) ist die heutige Westfalenstraße in der Flurkarte von 1829 nur als unbefestigte Verbindung zwischen Iserlohn und Calle / Hemer / Westig eingetragen. 1848 erfolgte der Ausbau des Feld- und Wiesenweges als „Fuhrmannsweg“ mit der Maßgabe, eine wirtschaftlich wichtige und notwendige Verbindung zwischen Iserlohn und Hemer zu schaffen. Wegen der großen Zahl der im Laufe des 19. Jh‘s sich mit Nebenbetrieben und Neugründungen ostwärts der Stadt Iserlohn ausdehnenden Fabrikationsbetriebe – vorwiegend in dem Bereich des ehemaligen Amtes Hemer und im Iserlohner Osten – waren Straßenneubauten für den zügigen Transport von Roh- und Brennmaterial und gefertigten Waren, aber auch für den Transport der zunehmenden Zahl an Arbeitskräften erforderlich. Als Beispiel einer solchen von weitschauenden Märkern, insbesondere den Angehörigen der Iserlohner Kaufmannschaft und heimischen Fabrikanten, auf eigene Rechnung projektierten und ausgebauten Verkehrsader mag die „Chaussee“ von Iserlohn über Wermingsen, Westig und Sundwig nach Deilinghofen dienen. Aktionäre waren unter anderen Iserlohns Bürgermeister Franz, der Gemeindevorsteher von Westig, Heinrich Schulte zu Wermingsen, und einige Iserlohner Fabrikanten, die die Wasserkraft der Westiger und Ihmerter Bäche nutzen und gleichzeitig der Iserlohner Gemeindesteuer entgehen wollten. Bei ihrem Bau erhielt die Straße aufgrund ihrer Finanzierung die Bezeichnung „Iserlohner-Aktien-Straße“.
Am 4. Mai 1848 war die Straße fertig. Sie wurde von der Provinzialverwaltung als preußische Staatsstraße übernommen. Als Ausgleich für die selbst aufgebrachten Baukosten erhielt die Iserlohner Aktiengesellschaft das durch den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. bestätigte Recht, über fünfzig Jahre hindurch Wegegeld zu erheben. Das geschah an drei durch „Barrieren“, also durch Wegeschranken gesicherten „Wegezollstationen“. Eine davon lag westlich der Einmündung der heutigen Hansaallee in die Iserlohner Westfalenstraße in Höhe des heutigen Architekturbüros Dossmann. Zwei weitere gab es in Oberhemer und Deilinghofen. Wer die Straße mit einem Fahrzeug passieren wollte, musste Wegezoll errichten. Wegezollerheber war eine in Iserlohn bekannte Persönlichkeit, Fritz Berkenhoff, genannt „Barrieren-Fritz“. Nach dem Zweiten Weltkrieg bewohnte zuletzt die Familie Kaiser das alte Fachwerkhaus, worin sich vor der Währungsreform auch die Lebensmittelkartenausgabe für einen Teil von Wermingsen befand. Fritz Berkenhoff, der 1875 das Hotel „Buchenwäldchen“ erbaute, war als Zollbeamter Angestellter der Aktiengesellschaft.
Er verlegte die ihm übertragene Zollstation bald nach Errichtung seiner neuen Hotel-Gaststätte vor deren Eingang, wo er auch eine moderne Fuhrwerkwaage installierte. In Wermingsen gab es drei Zollstationen. Für Frischwaren war eine Zollstation „Eiskeller“, Westfalenstraße Nr. 18 (heute Steakhaus) eingerichtet, dann die Hebestelle bei „Barrieren-Fritz“ Berkenhoff und für Baumaterial und Kohlefuhrwerke der Haltepunkt bei der Gaststätte Graumann in der Calle an der Hofstraße.
Noch um 1925 muss die heutige Westfalenstraße mehr eine Art Schotterpiste mit unzähligen Löchern gewesen sein. Am 19.02.1925 schreibt der Märkische Landbote „die Straße von Iserlohn nach Deilinghofen zeigt eine immer stärker werdende Benutzung, namentlich durch schwere Lastautos. Es wird sich auf Dauer nicht umgehen lassen, sie mit Kleinpflaster zu versehen“.
Das Hotel „Buchenwäldchen“ entstand auf einem Grundstück mit der alten Flurbezeichnung „Alter Busch“ anstelle eines größeren Waldes mit alten Buchenbeständen. Der Wald lag zwischen der Westfalenstraße und der heutigen Sophie-Scholl-Straße. Er erstreckte sich vom Gelände der heutigen Sparkassenfiliale bis fast an die Straße Auf der Aeumes.
Durch verschiedenste Veranstaltungen im Verlauf von mehr als 130 Jahren kann das „Buchenwäldchen“ eine eigene Geschichte schreiben, nicht nur Iserlohn und seinen heutigen Ortsteil Wermingsen betreffend. Der Komplex bestand aus einem Hotel mit 25 Betten, einem beliebten Speiserestaurant und einem 600 Personen fassenden Festsaal.
1908 wurde der Bau der Straßenbahn vom Iserlohner Ostbahnhof zum Buchenwäldchen eingerichtet. Im selben Jahr erfolgte die Verlängerung der Bahnstrecke nach Hemer / Amtshaus. Vor dem Hotel Buchenwäldchen befand sich ein Ausweichgleis mit Weiche. Am 31.12.1959 fuhr die letzte Straßenbahn von Westig bis nach Grüne-Ellebrecht. Einen Tag darauf übernahm ausschließlich der Busverkehr der Iserlohner Kleinbahnen die Personenbeförderung.
Zwischen der Waldemeistraße und der Westfalenstraße Nr. 12  befindet sich der alte Haupthof Schulte-Wermingsen. Sein Herrenhaus aus dem Jahre nach 1820 steht heute unter Denkmalschutz. Der Hof hatte für die Iserlohner besondere Bedeutung. Auf ihm hielt das vornehme „Cavallerie-Corps“ sein „Feld- oder Lustlager“ ab. Seit dem Siebenjährigen Kriege feierte es gemeinsam mit der im Schleddenhof aufziehenden „Infanterie“ und dem „jungen Schützencorps“ das Schützenfest. Das ganze Jahr hindurch aber schoss man hinter dem Schultenhof nach der Scheibe, wobei wie 1797 auch mal ein „Scheibensetzer“ erschossen wurde. Auf dem Hofe selbst bewahrte man die Zelte sowie Fahnen und Trommeln auf. So ging es ein Jahrhundert lang, bis 1862 die Vereinigung der verschiedenen Schützengesellschaften zum „Iserlohner Bürger-Schützen-Verein“ erfolgte, der seitdem am Fuße des Fröndenbergs, auf der „Alexanderhöhe“, die jährlichen Schützenfeste veranstaltet.
An der Ecke Westfalenstraße / Zollernstraße entstand 1874 die Villa von Carl Möllmann mit Wirtschaftsgebäuden und schönem Park. Dieses Gebäude wurde 1964 abgerissen und durch das IGW Hochhaus ersetzt.
Auf einer Wiese des Eigentümers Fritz Schulte-Dahmen hinter dem Buchenwäldchen spielte der 1905 gegründete „Allgemeine Spiel- und Turnverein Iserlohn“ (AST), ein Vorgänger des TUS 46 Abt. Fußball. Der Spielbetrieb ruhte während des Ersten Weltkrieges. 1915 belebte eine kleine Schar jugendlicher Fußballfreunde den Fußballplatz hinter dem Buchenwäldchen, bis auch sie eingezogen wurden.
Das Gutshaus Schulte-Dahmen (1899, Westfalenstraße Nr. 15) ist seit 1997 denkmalgeschützt.
Nr. 70-74 „Krug von Nidda“, vom 16. bis 20. Jh. Zinnerz-Abbau aus stark wasserhaltiger Kluft, seit 2006 zentrales Wasserwerk der Stadtwerke Iserlohn (siehe Niddastraße). Klostermann, S. 91-98.
Krieger-Ehrenmal vor der ehem. Seydlitz-Kaserne Westfalenstraße / Corunnastraße 10 (Is. Lex S. 205).
 

Quellen und Literatur

2019 im Auftrag des Stadtarchivs Iserlohn redigierter Auszug aus:
Holtmeier, Hermann; Reinertz, Manfred: Iserlohner Straßennamen erzählen, hrsg. vom Förderverein Iserlohner Museen e.V., Iserlohn 2009 (Beiträge zur Heimatkunde für Iserlohn und den märkischen Raum; Band 19)

drucken