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Annet van der Voort. The Wall / Der Atlantikwall

1. Mär - 4. Jul 2021

In den Jahren 1942-1944 wurde der Atlantikwall vom Großdeutschen Reich errichtet. Er sollte eine anglo-amerikanische Invasion der „Festung Europa“ verhindern. Vorangegangen war ein Raub- und Vernichtungskrieg, wie ihn die Welt bis dahin nicht gesehen hatte. Der Atlantikwall gilt als eines der größten Verteidigungsprojekte der Weltgeschichte. Mit einer Länge von über 6000 Kilometern entlang der Küsten von Norwegen, Dänemark, Deutschland, der Niederlande, Belgien, Frankreich und der britischen Kanalinseln ist er nur vergleichbar mit dem Limes oder der Chinesischen Mauer. Mit diesen teilt er auch das Schicksal des Größenwahns – und der Vergeblichkeit.

Insgesamt wurden über 13 Millionen Kubikmeter Beton für die Erbauung eingesetzt. Die westeuropäische Küste weist – auch 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs – immer noch unzählige Bunker und Bunkerreste auf.

Um die gigantischen Vorgaben zu erreichen – das Bauprogramm sah innerhalb nur eines einzigen Jahres 15.000 Großprojekte vor – wurden sog. „Regelbauten“ entwickelt, d.h. normierte Standardbunker für alle denkbaren Einsätze, die von den zuständigen Militärbehörden wie aus einem Katalog geordert werden konnten. Mit der Planung und Durchführung war die „Organisation Todt“, eine paramilitärische Bautruppe im nationalsozialistischen Deutschland, federführend betraut. Da für diese Aufgabe aber kaum genügend schwere Maschinen zur Verfügung standen, wurde nicht nur die ortsansässige Zivilbevölkerung, sondern auch ein Riesenheer von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern verpflichtet, die unter mörderischen Bedingungen zum Einsatz kamen: Hunderttausende haben dabei ihr Leben lassen müssen.

Doch es war nicht nur ein militärisches Abschreckungsprojekt, sondern von Beginn an auch ein Schauobjekt der Propaganda. In immer neuen Bildsequenzen und Wochenschauaufnahmen ließ Joseph Goebbels die Uneinnehmbarkeit dieser neuen Verteidigungslinie entlang des Meeres dokumentieren. Dass die Wehrhaftigkeit, die so demonstriert wurde, höchst unzureichend war, sollte sich wenig später erweisen.

Als die Alliierten am frühen Morgen des 6. Juni 1944 an einem vergleichsweise gering befestigten Küstenabschnitt in der Normandie landeten, hatte die deutsche Besatzungsmacht der Invasion mit ihrer Überlegenheit an Mannschafen und Material kaum etwas entgegenzusetzen: Und das bedeutete den Anfang  vom Ende des „Dritten Reiches“. Ein knappes Jahr später, am 08. Mai 1945 war ganz Europa befreit.

Heute werden überall Bunkeranlagen des Atlantikwalls unter Denkmalschutz gestellt oder auch zu Museen ausgebaut, um zu mahnen und an die grausamen Zeiten des Zweiten Weltkriegs zu erinnern.

Die Überreste des Atlantikwalls an den Küsten von Norwegen, Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Frankreich und den britischen Kanalinseln hat Annet van der Voort in einem über dreijährigen Arbeitsprozess im Bild festgehalten.

Heute, fast 80 Jahre nach ihrem Entstehen, befinden sich die meisten Bunkeranlagen in einem Zustand des Vergehens. Dennoch: Ihre architektonische Diversität, ihre skurrile Einbettung in die Natur und ihre unästhetische Schönheit üben auch auf den heutigen Betrachter immer noch eine faszinierende Wirkung aus.

Die Bilder dieser Ausstellung werden ergänzt (und kontrastiert) durch eine Serie von Aufnahmen, die eine ganz andere Perspektive auf das kriegerische Erbe vermitteln: Die Luftschutzbunker, die heute noch in unseren deutschen Städten stehen – irgendwie aus der Zeit gefallen und doch in ihrem Betonbrutalismus höchst gegenwärtig.

Annet van der Voort wurde in den Niederlanden geboren und studierte an der Fachhochschule Dortmund Visuelle Kommunikation. Sie hat immer wieder in Wort und Bild zum Thema "Vergänglichkeit" gearbeitet. Ihre Fotografien wurden in internationalen Museen und Galerien ausgestellt und sind in vielen Sammlungen vertreten.

Kommentar von Klaus Simon in der FAZ:

"Der Atlantikwall war ein größenwahnsinniges Unterfangen, dessen Wert schon im Zweiten Weltkrieg bezweifelt wurde. Heute verrotten die Geschützstände in Wäldern und Dünen oder kippen ins Meer. Die Fotografin Annet van der Voort hat die Bunker besucht. Ein Dreivierteljahrhundert nach Ende des Zweiten Weltkriegs lernte Annet van der Voort das zu lieben, was nach Sprengungen und Verfall vom Beton bleibt: "Taumelnde Riesen", wie die niederländische Fotografin sie nennt. Erste Berührungen mit den Überresten des größenwahnsinnigen Bauwerks hatte van der Voort als Kind in den Sommerferien an der Nordseeküste. Was sie jahrzehnte später auf einer dreijährigen Forschungsreise von Nord- nach Südeuropa fotografierte, erinnert an antike Tempel, altgermanische Thingstätten, an Bauhausvillen, Art-déco-Lichspielhäuser, an die Kulissen expressionistischer Filme, an den Beton brut der zweiten Moderne. Unerbittlich läuft der Atlantik gegen den Müden Beton Amok."

Zur Ausstellung ist im Distanz Verlag die gleichnamige Publikation erschienen.

Eindrücke von der Ausstellung mit Erläuterungen der Künstlerin können Sie in einem kleinen Video sehen. Zum Clip klicken Sie bitte hier ...

 

Leitung: Rainer Danne

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