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Gustav Seitz - Junge ruhende Sappho

Die Bronzeskulptur des Bildhauers Gustav Seitz (1906 – 1969) in der Laarstraße stellt die griechische Dichterin Sappho dar, die um 660 v. chr. Auf der Insel Lesbos lebte und von deren Werk mehrere Lieder ganz oder durch Zitate überliefert sind. Ihre Lebensgeschichte wurde oft romantisch verklärt. Im Altertum feierte man sie als zehnte Muse. Die Skulptur steht im Zusammenhang mit einer Griechenlandreise, die Seitz 1964 unternahm sowie dem geplanten Vorhaben einer bibliophilen Edition zu Sapphos Lyrik. Ursprünglich entstand die „Sappho“ als Auftragsarbeit der freien und Hansestadt Hamburg für das dortige Wilhelmgymnasium. Das Iserlohner Kunstwerk ist der dritte Abguss und wurde durch eine private Bürgerinitiative angekauft.

Seitz interpretiert die junge Sappho als sitzende Gewandfigur. Die Skulptur zeigt die Dichterin aufrecht auf einem etwas erhöhten Stein- oder Felsblock hockend. Die Beine sind nur leicht angewinkelt, die Fußstellung ist leicht geöffnet, das linke Bein etwas vorgestellt. Der rechte Arm ruht auf dem Oberschenkel, während die linke Hand auf dem rechten Unterarm liegt. Sie schaut frontal nach vorn, wobei sie aber die Außenwelt nicht wirklich wahrzunehmen scheint. Der eigentliche Blick geht nach innen und spiegelt das Versunkensein der Dichterin wieder, die nachdenklich in sich ruht. Dieser Bildtypus erinnert an tradierte Melancholiedarstellungen, die häufig mit Künstlerportraits verbunden waren.

Die glatte Oberfläche der Skulptur gibt einen Eindruck von der Zartheit des antiken Gewandes, während die gröberen Schraffuren, zB. Im Brustbereich, die Gewandfalten andeuten. So geschlossen und blockhaft die äußere Form der Skulptur ist, so bewegt sind die einfachen, fließenden Körperformen. Seitz greift hier weniger auf die überkommenen Sappho-Darstellungen zurück. Seine Arbeit steht zwar in der Tradition klassischer Figürlichkeit, doch dabei folgt er keinem allzu offensichtlichen Naturalismus. Er ersetzte die klassische Proportionslehre durch seine eigene Formensprache, die blockhafte, massige Körperformen geometrisch vereinfacht und rhythmisch komponiert.

Im Gesamtwerk von Seitz hat die weibliche Figur einen besonderen Stellenwert. Die Motive der stehenden, sitzenden und hockenden Frau hat Seitz immer wieder variiert, wobei er sich in seinem Schaffen an Aristide Mailol, Georg Kolbe und dem plastischen Spätwerk von Auguste Renoir anlehnte. Von diesen übernahm er den Sinn für pralle Formgebung, natürliche und spielerische Sinnlichkeit und den Reiz unterschiedlicher Oberflächenformen. Er selber sagte: „Ich sehe davon ab, durch übertriebene Bewegung die Geschlossenheit zu verlieren. Außerdem liebe ich das Gesunde und Kräftige in der Natur, die stets mein großes Vorbild bleibt.“

Gustav Seitz (1906 – 1969) begann seine Karriere nach Ausbildung und überstandener Nazizeit als Professor an der Technischen Hochschule Berlin (1946 – 1950). Ab 1950 wurde Seitz Mitglied der Akademie der Künste (DDR), wo er ein Meisteratelier leitete. 1958 wechselte er in den Westen. Dort wurde er Professor an der Kunsthochschule in Hamburg.

[Text: Rainer Danne. In: Moderne Kunst in Iserlohn. Kunst im öffentlichen Raum. hg.v. der Stadt Iserlohn und Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Landesbildstelle Westfalen, 1996]