Die Ausstellung Skulptur + Bild hat im Kern einen retrospektiven Charakter, weil ganz unterschiedliche Werkphasen und Werkgruppen in ihr versammelt sind, aber Werner Schlegel ist klug genug, von einem vorläufigen Resümee zu sprechen. Das lässt Raum für weitere Entwicklungen. Und blickt man zurück auf vergleichbare Ausstellungen und Kataloge in der Vergangenheit, so kann man trefflich erkennen, dass der Künstler niemals in einer bestimmten Entwicklungsphase stehen bleibt. Die Kataloge und Ausstellungen haben einen dokumentarischen Charakter und begleiten die künstlerische Biografie. Im Vorwort zum Katalog „Neue Arbeiten“ aus dem Jahr 2012 habe ich geschrieben, dass der Weg, den ein Künstler geht, Gültigkeit durch sein Werk besitzt. Je länger er auf diesem Pfad voranschreitet, desto klarer werden im Idealfall seine Ziele und desto bestimmter die Formen, die er hervorbringt. Werner Schlegel ist seinen Weg bis zum heutigen Tag konsequent und mit großer bildnerischer Intelligenz weitergegangen. Die Sublimation seines künstlerischen Vokabulars in den neueren Bildobjekten, den reliefartigen Tip Tapping Arbeiten und den kraftvollen kontrastierenden Tuschezeichnungen erscheint gerade vor dem Hintergrund der älteren Werkgruppen in dieser Ausstellung als logische Weiterentwicklung, in dem am Ende das Malerische mit dem Skulpturalen und der subtile Mikro- mit dem plakativen Makrokosmos der Formen zusammenfließen.
Wie Vielfalt und Einheit, Fülle und Leere sich gegenseitig durchdringen, so verschmilzt das Malerische mit dem Plastischen. Erst aus dieser besonderen Synthese erhalten die Bildplastiken, Strukturreliefs oder Farbformmontagen ihren ästhetischen Charakter. Der mediative Prozess des vorsichtigen Abnehmens der kleinteiligen Formen mit dem Stechbeitel führt fast zwangsläufig zu den eher explosiven gestischen Tuscharbeiten als emotionale Kontrastkopplung. In einer weiteren Werkgruppe werden die Tip Tapping – Arbeiten mit einer Haut aus transparentem Papier überzogen, welches wiederum malerisch bearbeitet wird. Geblieben ist bei Werner Schlegel quer durch alle Werkphasen das gewachsene Holz von Eichen und Pappeln als wichtigster Werkstoff, der so alt ist wie die menschliche Kultur. Und die Skulpturen tragen neben ihrer räumlichen Präsenz als gewachsener Rohstoff immer auch eine große zeitliche Dimension in sich. Die Eigenfarbigkeit des Holzes steht als bildnerisches Element neben der Farbe oder scheint häufig durch, bleibt zumindest immer spürbar. Die dezente, reduzierte und häufig fast monochrome Farbigkeit verleiht den Objekten und Bildern einen Ausdruck, der so natürlich wirkt, dass er kaum die feine, sensible Gestaltung der Oberflächen erkennen lässt.
Dies steht im seltsamen Kontrast zu den eher robusten Formen. Und fast wie von selbst moduliert am Ende das Licht die Raumkörper, sehr schön zu beobachten auch in den Bildobjekten der Tip Tappings mit den fein gewellten Oberflächen. Analytische Strenge und spielerische-experimentelle Leichtigkeit finden sich in Werner Schlegels Formenwelt genauso aufgehoben wie das Abstrakte und Konkrete. Die zarte, in der Farbigkeit zurückgenommene Gestaltung der Oberflächen erweckt dabei gleichzeitig den Eindruck größter Sorgfalt wie vorübergehender Flüchtigkeit. Ohne jedes formale Pathos stellen die Objekte dar, was sie sind – stille poetische Bildzeichen, die in Ihrer ausdrucksvollen Einfachheit und schlichten Natürlichkeit eher der „Versenkung“ als der “Erklärung“ bedürfen. Das eigentliche Wunder liegt in der Einfachheit.
Der Betrachter spürt, dass sich die Gegensätzlichkeit von Form, Farbe und Material auf mehrere Ebenen ausdehnt, die ganz subtil miteinander verzahnt sind und eine neue synthetische Harmonie erzeugen. Asymmetrie, Schlichtheit, schmucklose Erhabenheit, Natürlichkeit, Selbstverständlichkeit, abgründige Tiefe, Losgelöstheit, Außerweltlichkeit, Stille, innere Ruhe, Ausgeglichenheit – es lassen sich viele Begriffe finden, die man für eine Beschreibung nutzen kann, ohne dem letztgültigen Geheimnis der Arbeiten Werner Schlegels wirklich auf die Spur zu kommen. Vielleicht muss man das aber auch gar nicht. Es könnte reichen, sich einfach von den Arbeiten in ihrem rätselhaften und ästhetischem So-Sein berühren zu lassen.
Zur Iserlohner Ausstellung, die in Kooperation mit der Städtischen Galerie in der Reithalle Paderborn und dem Stadtmuseum Beckum entstanden ist, ist im Kettler Verlag die gleichnamige Publikation erschienen.
Die Vernissage der Ausstellung findet am Freitag, 13.09. um 19:30 Uhr, statt. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen. Werner Schlegel wird anwesend sein.
Öffnunsgzeiten der Städtischen Galerie:
Mo-Fr 15 - 19 Uhr, Sa 11 - 15 Uhr, So 11 - 17 Uhr
Der Eintritt ist frei