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Hannah Schemel - Steffen Diemer. Langsam und ganz sacht

10. Februar - 9. April 2023

Was Steffen Diemer und die drei Jahrzehnte jüngere Hannah Schemel verbindet sind die Fotografie und die Suche nach gültigen Bildern im ganz ursprünglichen Sinn des Mediums.

Diemer & Schemel arbeiten im Selbstauftrag, ohne Termindruck und allein ihrem persönlichen Kompass verpflichtet. Schon sie als Fotografen zu bezeichnen, führt eigentlich in die Irre. Hannah Schemel und Steffen Deimer nutzen die Kamera, um zu Bildern zu gelangen, die als Werke dauerhaft bestehen können, buchstäblich Solitäre, sorgfältig komponierte und arrangierte Unikkate in einer Welt des visuellen Overkills.

Die digitale Welt, die Welt professionellen Fotografierens muss man Steffen Diemer nicht erklären. Mehr als zwei Jahrzehnte hat er als Bildjournalist gearbeitet. Die Rede ist von mehr als 70 Ländern auf vier Kontinenten, die er als freier Fotograf bereist und mit der Kamera erkundet hat, zahllose Kriege und Konflikte eingeschlossen. Nicht dass er das Elend gesucht hätte. Es kam auf ihn zu, daheim in Mannheim, wo er nicht wegsah, wenn er auf Obdachlose stieß, oder draußen in der Welt, wo das gewaltsame Sterben Teil des Alltags war. Diemer sah sich gedruckt. Im Spiegel, im Stern, in der FAZ. Was nach Erfolg klingt, wurde allerdings zusehends zur Belastung bis hin zum Burnout, zum Zusammenbruch.

2011 nahm Steffen Diemer Abschied vom Fotojournalismus und erfand sich neu, ohne das Fotografieren aufzugeben. In der Entschleunigung seines Tuns fand Diemer eine kreative Perspektive, in der Erkundung technologischen Neulands, das im Grunde ein längst aufgegebener Acker war, einen künstlerischen Horizont.

Ganz ähnlich Hannah Schemel, die sich gewissermaßen über Nacht einen anderen Weg verordnet hat. Bereits mit fünfzehn hatte die in Bühl im Schwarzwald geborene Schemel ein Jahr in den USA verbracht, dort unter anderem einen Fotokurs belegt, Bekanntschaft mit Kleinbild und Dunkelkammer gemacht. Zurück in Deutschland begann sie, an der Hochschule Mannheim Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Fotografie zu studieren. Machte ihren Abschluss. Arbeitete in einer Agentur.
Was nach einer Karriere in den neuen Medien oder in der Werbung klingt, erwies sich allerdings schnell als Sackgasse. Zuviel Hektik. Zuviel Kommerz. Zu viele laute Versprechen. Letzlich konnte die nervöse Welt der Werbung die junge Hannah Schemel nicht begeistern –so wenig wie ein inzwischen entmaterialisiertes Medium. Die Massen an Fotos auf der Festplatte habe sie sich gar nicht mehr angeschaut.

Hannah Schemel wie auch Steffen Diemer traten bewusst einen, zwei Schritte zurück. Verfahrenstechnisch beamten sie sich in eine buchstäblich vorindustrielle Zeit, in eine Zeit, als die Fotografie noch Handwerk war, eine Art Alchimie mit immerhin handfesten Resultaten. Einer Welt der viralen Bilder kehrten sie den Rücken, um das Schauen, das Staunen, das Sehen neu zu lernen. Dabei ist ihr Rückgriff auf historische, im Prinzip ausgestorbene bzw. unübliche, weithin vergessene Verfahren keine Marotte, sondern der bewusst unternommene Versuch, sich der dinghaften Welt mit Demut, einem ausgebremsten Blick zu nähern.
Hannah Schemel arbeitet mit einer Platin/Palladium Mischtechnik, auf für Sie handgeschöpftem Büttenpapier von John Gerard. Ihre Bilder entstehen mit einer analogen Großformatkamera. Steffen Diemer nutzt das über 170 Jahre alte Nassplatten Kollodium Verfahren. Als Bildträger fungiert hier auch für Ihn von einer deutschen Glashütte hergestelltes Schwarzglas.
Ihre Zusammenarbeit hat sich in einem Zeitraum von nunmehr 6 Jahren stetig weiterentwickelt. Die Liebe zur japanischen Ästhetik, beeinflusst von Künstlern wie Hasegawa To?haku, der Schriftsteller Tanizaki Jun’ichiro? oder Matsuo Basho? beeinflussen Ihre Arbeit. Beide verbrachten längere Zeit in Japan. Aber auch in jüngster Zeit die philosophische Auseinandersetzung von Hans-Dieter Bahr in seinem Buch: Landschaft. Das Freie und seine Horizonte beginnen Schemels Arbeiten zu beeinflussen. Für Diemer seit kurzem die Auseinandersetzung mit den Schriften des deutschen Mystikers und
Philosophen Jacob Böhme. Beides Werke, die auch ein lebenslanges Studium erfordern.
In der Städtischen Galerie in Iserlohn zeigt die Künstlerin Hannah Schemel, Umi, das Meer, und Kigen, der Ursprung, welche an der bretonischen Küste und in ihrer Heimat, dem Schwarzwald entstehen. Man kann geradezu die salzige Gischt im Gesicht spüren. Das Geräusch der Wellen hören, die auf Felsen schlagen. Im Rhythmus der Natur bäumt sich die See auf, um im nächsten Moment wieder ruhig zu liegen. Der flüchtige Nebeldunst wird von der Künstlerin durch stundenlanges Ausharren eingefangen. Den Schwarzwald zeigt als zarte Details von Baumspitzen, aber auch in größeren Ansichten, die uns taubesetze Tannennadeln und Moos riechen lassen. Momente zum Neuentdecken von verborgenen Schönheiten. Innehalten und Durchatmen.

Von Steffen Diemer werden Stillleben zu sehen sein. Ein Wasserglas, welches wir jeden Tag benutzen. Brombeeren die man verspeist. In den kleinen Dingen des Alltags findet Steffen Diemer immer wieder überraschende Schönheit. Mit feinsinnigem Blick arrangiert er diese auf den ersten Blick einfachen Gegenstände zu reizvollen Stillleben. Eines seiner liebsten Themen sind Blüten. Ein Kirschblütenzweig, der an das Gefühl erinnert, wenn wir den Frühling begrüßen. Ein kurzes Stehenbleiben und die kindliche Freude die uns erfasst in Anbetracht des jährlichen Naturschauspiels des andauernden Zyklus des Lebens. In Japan wird die sakura, die Kirschblüte, sogar mit einem eigenen Fest geehrt, dem Hanami.

Eröffnung der Ausstellung:

Freitag, 10. Februar 2023 um 19.30 Uhr

Einführung:

Hans-Michael Koetzle, Fotohistoriker und Journalist

Hannah Schemel und Steffen Diemer werden anwesend sein.

 

Sonderveranstaltung zur Finissage:

Porträt-Sitzung mit Steffen Diemer und Hannah Schemel
im Nassplatten-Kollodium-Verfahren als Ambrotypie auf Schwarzglas

Erleben Sie das aufwendige Nassplatten-Kollodium-Verfahren live und lassen Sie ihr Porträt als Unikat anfertigen.

Sa und So 08./09. April 11-15 Uhr in der Städtischen Galerie

Anmeldung bei der vhs Iserlohn unter der Kursnummer 231_20010
Das teure Verfahren, das hier zur Anwednung kommt, ist mit erheblichem Aufwand verbunden. Somit wird jedes Porträt als Unikat der Künstler zwischen 190 € (klein) und 280 € (groß) kosten.