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Jenseits des Dokumentarischen - Beyond the Sphere of Reproduction
Aktuelle Fotografie aus China und Deutschland - Contemporary Photography From China and Germany

20. April bis 17. Juni 2018

Seit ihrer Erfindung im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts liegt das Hauptaugenmerk der Fotografie auf der mehr oder weniger objektiven Dokumentation der sichtbaren Welt durch die Reproduktion dieser in Form von "mit Licht gezeichneten" Bildern. Über die Jahrzehnte entfachte sich nach und nach ein zeitweise erbitterter Kampf zwischen dem damals noch neuen Medium der Fotografie und dem althergebrachten Medium der Malerei, dessen Daseinsberechtigung im ersten Moment von der neuen Bildtechnik bedroht zu sein schien. Und obwohl sich vor allem ab den 1920er Jahren ein friedliches Nebeneinander und teilweise auch Symbiosen zwischen den beiden Medien allmählich herauskristallisierten, dauerte es noch mehrere Jahrzehnte, bis Kunstkritiker und Museumsleute die Fotografie als gleichberechtigtes Medium neben der Malerei und Skulptur akzeptieren würden. Dies führte allerdings zu einem neuen, medium-internen Zerwürfnis, das zur vorerst endgültigen Spaltung führte, so dass man heute zwischen den beiden sich gegenseitig ausschließenden Feldern der Fotokunst und der angewandten Fotografie zu differenzieren gezwungen wird.

Im Mittelpunkt der Ausstellung Jenseits des Dokumentarischen steht eine Gegenüberstellung von sechs chinesischen und sechs deutschen Fotografen, die just diese Divergenz zwischen den beiden Fraktionen der zeitgenössischen Fotografie thematisieren und dadurch infrage stellen. Begriffsklärungen spielen hierbei eine Schlüsselrolle. Was heißt also Dokumentation bzw. Reproduktion überhaupt? Muss ein Foto etwas aus der realen Welt als Ausgangspunkt haben oder kann es eine reine Bild(er)findung sein? Und wie wird ein fotografisches Bild überhaupt hergestellt? Braucht man dafür eine Kamera oder kann man das Bild mit Hilfe eines Rechners "bauen" - oder gar von der Natur erstellen lassen? Muss ein Foto lesbar sein, um seiner Funktion als Dokumentation gerecht zu werden? Und umgekehrt - wie gehen wir damit um, dass präzise aufgenommene Bilder von Objekten und Räumlichkeiten diese weder dokumentieren noch kommentieren, sondern "lediglich" präsentieren. das Bild um des Bildes sozusagen. [...]

Bei allen Teilnehmern der Ausstellung werden die mannigfaltigen Möglichkeiten der Fotografie ausgelotet und sogar erweitert. Ob figurativoder abstrakt, ob analog oder digital, ob mit oder ohne Verwendung eines Fotoapparats entstanden - es geht hier weniger um repräsentation als um Präsentation. Die ausgestellten Werke öffnen jeweils neue Perspektiven auf die Rolle der Fotografie im postfaktischen Zeitalter. Und auch wenn in vielen Fällen die Bilder dieser Ausstellung "lügen", geht es den Künstlern nicht darum den Betrachter hinters Licht zu führen, sondern vielmehr "Wahrheiten" ans Licht zu bringen. das, was man zu sehen glaubt, ist häufig nicht das, was man tatsächlich sieht. Die Werke dieser Ausstellung verlangen einen zweiten. intensiveren Blick, fordern uns als Betrachter heraus, unsere eigenen Vorstellungen und Sehgewohnheiten infrage zu stellen.

[Auszug aus dem Katalogtext: Gérard A. Goodrow. Fotografie im postfaktischen Zeitalter]

Die Ausstellung und der Katalog wurden ermöglicht durch die großzügige Unterstützung von