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Karl-Henning Seemann - Schwingendes Paar

Das Werk entstand 1991/92 im Rahmen eines von der Stadt Iserlohn ausgeschriebenen Wettbewerbs für den Werner-Jacobi-Platz. Inmitten eines durch Blumenrabatten vorgegebenen Rondells steht das lebensgroße „Schwingende Paar“ auf einem ca. 80 cm hohen, schlichten Metallsockel genau im Kreuzungspunkt von fünf sternförmig auf die Skulpturengruppe zulaufenden gepflasterten Spazierwegen. Es soll unbeschwerte Lebensfreude zum Ausdruck bringen und sie, wenn möglich, sogar im Betrachter auslösen!  Inbegriff positiven Lebensgefühls ist für Seemann der Rock’n Roll, deshalb hat er ein dynamisches, fröhliches Paar in spielerischer Schwingbewegung einander zugeordnet.

Obwohl sich die beiden vertikal orientierten, „aufgetürmten“ menschlichen Figuren weit über die Augenhöhe des Betrachters erheben, wirken sie in keiner Weise monumentalisierend: Ein junger Mann tanzt barfüßig auf dem zylindrischen Skulpturensockel. Er trägt einfache Sandalen zu einer zerschlissenen Hose.

Darüber fällt locker ein langes, wehendes Gewand, dessen faltige Ärmel bis zu den Ellbogen seiner hochgereckten Arme reichen, mit denen er seine Tanzpartnerin sicher umfängt. Das Mädchen – ebenfalls in wallende Kleider gehüllt – steht quasi auf dem Kopf, weil der junge Mann es gerade hochgewirbelt hat; sie stützt sich mit beiden Händen auf die Schulter ihres Partners. Die Füße beider Tänzer scheinen sich in der rasanten Anstrengung optisch zu vervielfachen. Trotz der deutlich wahrnehmbaren körperlichen Anstrengung sind die Gesichter der beiden jungen Leute einander in  lächerlicher Übereinstimmung zugewandt.  

Während bestimmte Parteien beider Figuren fein und detailliert herausgearbeitet wurden, wirken die Oberkörper und speziell die Gesichter und Haare eher skizzenhaft; sie sind mit ihren aufgebrochenen und schartigen Oberflächen expressiv gestaltet und tragen undeutliche Bearbeitungsspuren der verwendeten Werkzeuge. Trotz der kompakten Bronze suggeriert die Figurenkomposition durch ihre offensichtliche Spiralform fast schwerelose Leichtigkeit und mühelose, schnelle Bewegungen.

„Meine Tanzenden nur in einer erstarrten Bewegung zu zeigen“, sagte Seelmann, „wäre für mich unerträglich gewesen. Stattdessen habe ich versucht, den Raum um die Figuren herum so in meine Gestaltung miteinzubeziehen, dass anstelle erstarrter Bewegung ein Rhythmus der Form steht, der sich am intensivsten erfahren lässt, wenn man die Figuren mehrfach umkreist und sie im Umrunden wahrnimmt. Die Form soll sich im Rhythmus vor dem Auge des Betrachters abspulen, so dass sie der Bewegung des Tanzes gleichnishaft entspricht. Ich will nicht einfach kopieren, will keine natürlichen Bewegungen nachahmen, sondern die Figuren komponieren, dass die Plastik zur Musik der Form wird und die entstandene Form zur Musik.“   

Karl-Henning Seemann (geboren 1934 in Wismar) studierte an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin.  1972 wurde er an die Fachhochschule Aachen berufen und von 1974 bis 1999 war er Professor an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart.  Seemanns künstlerisches Schaffen beinhaltet Kirchenportale, Brunnen, Skulpturen für öffentliche Plätze und vieles andere mehr. Sein Materialrepertoire umfasst vorwiegend Stahl, Stein, Holz und vor allem Bronze.

[Text: Maria-Ilona Mathes. In: Moderne Kunst in Iserlohn. Kunst im öffentlichen Raum. hg.v. der Stadt Iserlohn und Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Landesbildstelle Westfalen, 1996]